Aktuelles (30.08.2022):
Bedarfe der Wasserversorgung in Zeiten des Klimawandels

Teil 1: DVGW-BDEW-VKU
Teil 2: Hans Hümmer, Werkleiter Juragruppe


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Teil 1: Die Spitzenverbände der Wasserversorgung führen zu den Bedürfnissen der Wasserversorgung unter den klimatischen Veränderungen wie folgt aus:


Bedarfe der Wasserversorgung in Zeiten des Klimawandels
Maßnahmenvorschläge des BDEW, DVGW und VKU zur Sicherung der Wasserversorgung


Der Klimawandel als Herausforderung für die Wasserversorgung
Durch den Klimawandel treten Wetterereignisse wie Dürren und Starkregenereignisse häufiger und extremer auf. Die Wasserressourcen in Deutschland geraten durch diese, sich zunehmend verschärfenden Bedingungen immer stärker unter Druck: Wasserressourcen werden knapper oder die Wasserqualität durch starke Niederschläge in Mitleidenschaft gezogen. Die Folgen des Klimawandels sind in einigen Regionen bereits heute spürbar. Um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen und für zukünftige Extremereignisse besser gewappnet zu sein, ist unmittelbares und entschlossenes Handeln unumgänglich. Der BDEW, DVGW und VKU sprechen sich daher für die zeitnahe Umsetzung eines Maßnahmenbündels zur Beibehaltung einer hohen Versorgungssicherheit der öffentlichen Trinkwasserversorgung aus.

Maßnahmen zur Minderung der Folgen des Klimawandels
1) Vorrang der öffentlichen Trinkwasserversorgung:
Die öffentliche Wasserversorgung versorgt neben Haushalten und Industrie insbesondere öffentliche Einrichtungen wie Schulen und kritische Infrastrukturen wie Krankenhäuser mit Trinkwasser und leistet so einen wesentlichen Beitrag zur Daseinsvorsorge. Der Klimawandel kann durch längere und extremere Trockenperioden Nutzungskonflikte zwischen der öffentlichen Wasserversorgung und anderen Nutzergruppen hervorrufen. Der im Wasserhaushaltsgesetz bestehende Vorrang für die öffentliche Wasserversorgung gegenüber konkurrierenden Nutzungsansprüchen muss weiter untermauert werden. Für den Vollzug ist die Bewilligung als Regelfall für die öffentliche Wasserversorgung im Rahmen der wasserrechtlichen Verfahren vorzusehen.

2) Vorsorge- bzw. Verursacherprinzip stärken und Schutz der Trinkwasserressourcen vor Verunreinigungen verbessern:

Die ansteigende Verunreinigung von Gewässern verknappt das Wasserdargebot für die Trinkwasserversorgung weiter. Um Mensch und Umwelt vor den negativen Auswirkungen eines solchen Anstiegs zu schützen, sollte das Vorsorge- und das Verursacherprinzip stärker verankert werden, sodass wirksame Anreize für den Schutz der Wasserressourcen bestehen und Einträge gar nicht erst ins Wasser gelangen. Ein solches Vorgehen bringt zudem Vorteile für Verbraucher mit sich, da eine aufwändige und teure Aufbereitung von Verunreinigungen von vornherein verhindert wird.

3) Wasserrechte flexibel und ausreichend vergeben:
Wasserversorger werden aufgrund des Klimawandels und längerer und heißerer Trockenperioden zusätzliche Wasserressourcen für die Wasserversorgung benötigen. Wenn Wasserversorger kurzzeitig höhere Wassermengen brauchen, um die Versorgung auch in Dürreperioden zu sichern, muss diese Flexibilität auch durch die Entnahmerechte abgesichert sein. Es ist eine kurzfristige Flexibilisierung im Vollzug der bestehenden Wasserrechte, insbesondere für die maximalen Tagesentnahmen, und eine zeitnahe Aufstockung der bestehenden Wasserrechte bei den Jahresentnahmemengen um einen Klimawandelzuschlag von 10 bis 20 Prozent notwendig.

4) Unterstützung für Investitionen in wasserwirtschaftliche Infrastruktur:
Der Substanz- und Werterhalt der Wasserversorgungsinfrastruktur ist im gesamtgesellschaftlichen Interesse durch die Kommunen und Versorger sicherzustellen. Die heute schon sichtbaren Folgen des Klimawandels mit Trocken- und Hitzeperioden sowie Starkregenereignissen machen jedoch eine zusätzliche staatliche Unterstützung für Investitionen in die wasserwirtschaftliche Infrastruktur erforderlich, wo dies durch den Gebührenzahler alleine nicht zu tragen ist. Ein entsprechendes klimawandelbezogenes, investives Förderprogramm sollte im Rahmen des Sonderprogramms Klimavorsorge eingeführt werden.

5) Genehmigungsverfahren anpassen:
Der Klimawandel erfordert eine zugige Anpassung der Infrastrukturen. Bei wasserwirtschaftlichen lnfrastrukturvorhaben sind die behördlichen Genehmigungsverfahren zu verkürzen und UVPGenehmigungsverfahren zu beschleunigen. Zudem müssen die wasserrechtlichen Antragsverfahren und deren Entscheidungsfindung deutlich beschleunigt werden.

6) Maßnahmen und Anreize zur Senkung des Wasserverbrauchs in der Landwirtschaft implementieren:
Vor allem in der Landwirtschaft ist davon auszugehen, dass der Wasserverbrauch bzw. die Wasserentnahme aus Grund- und Oberflächengewässern insbesondere in längeren Trockenphasen steigen wird - die vergangenen Trockenjahre 2018 - 2020 haben dies gezeigt. Die Bundesregierung sollte Maßnahmen ergreifen, um diesem Trend entgegenzuwirken und eine sparsame und effiziente Nutzung der Wasserressourcen anzureizen. Die Bundesregierung sollte hierzu „Best-Practice"-Ansätze in der landwirtschaftlichen Bewässerung fördern. Zudem sollte die Bundesregierung eine landwirtschaftliche Bewässerungsstrategie vor dem Hintergrund des nachhaltigen Gewässerschutzes initiieren und umsetzen.

7) Versorgungssicherheit durch Kooperation und interkommunale Zusammenarbeit stärken:
Für den effizienten Einsatz von Wasser und eine sichere Wasserversorgung - insbesondere während einer Dürre - ist die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen verschiedenen Versorgern wichtig. Um Kooperationen zu stärken braucht es gute Rahmenbedingungen. Der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene ist aufgerufen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für interkommunale Kooperationen zu verbessern.

8) Einsatz von Wasserwiederverwendung in der Industrie:
Die Abwasserwiederverwendung kann einen wertvollen Beitrag als zusätzliche Wasserressource leisten, um bestimmte Wasserbedarfe zu befriedigen und den Nutzungsdruck auf die verfügbaren natürlichen Wasserressourcen zu verringern. Die Wasserwiederverwendung sollte vorrangig in (geschlossenen) Industrieprozessen eingesetzt werden, in denen Trinkwasserqualität nicht erforderlich und eine Beeinträchtigung der Gesundheit von Verbrauchern ausgeschlossen ist. Bestehende Hygienemaßstäbe müssen in jedem Fall beibehalten und direkte Einträge durch behandeltes Abwasser ins Grundwasser vermieden werden.

9) Regelungen zu Monitoring-lnstrumenten:
Als Entscheidungshilfen für den wasserwirtschaftlichen Vollzug bedarf es einer möglichst genauen Übersicht der verfügbaren Wassermengen. Die Entnahme muss für alle relevanten Nutzergruppen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt werden. Eine Anzeigepflicht für alle Wasserentnahmen gleich welcher Nutzergruppe bei der zuständigen Wasserbehörde muss ebenso wie eine fortlaufende Überwachung der Entnahmen durch die Behörden geregelt werden. Das nutzbare Wasserdargebot muss über Bilanzmodelle ermittelt und die Entnahmen aller Nutzergruppen über ein Echtzeit-Monitoring überwacht werden. Für die Überwachungsaufgaben müssen die notwendigen Verwaltungskapazitäten aufgebaut werden.

10) Forschung zu Klimawandel und Resilienz:
Forschungsprogramme müssen noch stärker auf den Themenkomplex Klimawandel-Resilienz ausgerichtet werden (insb. Systemreserven und -resilienz prüfen). Dabei müssen neue Möglichkeiten durch die Digitalisierung ausgeschöpft werden.


Teil 2: Zu den Ausführungen von BDEW, DVGW und VKU sieht der Werkleiter der Juragruppe schon aufgrund der regionalen Unterschiede eine notwendige differenzierte Betrachtung. Für seinen Versorgungsbereich und die nordostoberfränkische Region gibt er mit zu bedenken:


2022 war in Franken geprägt von einer nahezu niederschlagslosen Zeitphase über Monate hinweg. Dramatische Auswirkungen auf den Wasserhaushalt und somit insbesondere auf die Wasserversorgung und Landwirtschaft sind die Folge. Rückgänge von Quellschüttungen und Grundwasserständen, Naturereignisse, sich verändernde Niederschlagsszenarien, Bodenerosion und äußere Einträge sind gewaltige Herausforderungen, auf die wir erst noch Antworten finden müssen.

Der Freistaat plant eine weitere Fernwasserversorgung aus dem wasserreicheren Süden nach Franken. Der Bau einer solchen wird aber Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen und wird damit insbesondere die gesetzliche Vorgabe der wohnortnahen Versorgung hinterfragen.

Aber auch die negativen demographischen Entwicklungen mit rückläufigen Wasserabnahmen gerade in Franken und Nordbayern werden uns enorm finanziell, organisatorisch und technisch fordern.

Hier befinden wir uns in Franken in einem Teufelskreis. Rückläufige Wasserressourcen, rückläufige, stagnierende Bevölkerungsentwicklungen, einhergehend mit Überalterung.

Einerseits werden durch die Fachverbände DVGW, BDEW und VKU im Allgemeinen Maßnahmen und Anreize zur Senkung des Wasserverbrauches, Regen- und Zisternennutzung, zweite Leitungsnetze für z. B. WC-Spülung usw., als Lösungsmöglichkeiten mit angedacht.

In einigen Bereichen Frankens haben manche Versorger schon beginnende Probleme, dass wegen rückläufiger Wassermengen ihre Versorgungsnetze, die sie vor ein bis zwei Jahrzehnten gebaut haben, wegen der rückläufigen Wasserabgaben überdimensioniert sind und wegen fehlender Umschlagshäufigkeit perspektivisch verkleinert werden müssen.

Dies erfolgt kostenintensiv über sogenannte Innliner um den Querschnitt zu verkleinern.

Dies wird unter Umständen dazu führen, dass die Netze für die gemeindliche Löschwasserversorgung durch den Rückbau nicht mehr ausreichen. Gerade der Löschwasserversorgung wird man in Anbetracht der Trockenheit deutlich mehr Bedeutung einräumen müssen, was verschiedene Brände wie z. B. in der Sächsischen Schweiz uns deutlich vor Augen führen.

In der Folge müssten dann Gemeinden oder auch der Staat wieder mit erheblichstem Aufwand Löschwasserbehälter schaffen, wo man vormals durch leistungsfähige Wassernetze die alten Löschwasservorhalte nicht mehr sanierte und unterhielt.

Dies wird ausschließlich der Bürger und Verbraucher in einem Landstrich bezahlen müssen, der in Bayern schon eh die höchsten Wasserverbrauchsgebühren bisher zahlen musste. Hier wird eine veränderte staatliche Strukturpolitik gefragt sein, denn die bisherige kann m. E. gerade nicht als fehlerfrei betrachtet werden.

Es gilt weiter zu bedenken, dass nur ca. 20 Prozent der entstehenden Kosten in der Wasserversorgung mengenabhängig sind. Die restlichen 80 Prozent sind Fixkosten wie zum Beispiel die Wartung der Netze, der Pumpen oder Personalkosten.

Die Einnahmen in einer öffentlichen Wasserversorgung, die für die Kostendeckung notwendig sind, werden dagegen zu ca. 85 % mengenabhängig und zu 15 % mengenunabhängig über eine Grundgebühr eingehoben.

Je mehr Menschen deshalb eine Zisterne für den Haushalt nutzen, desto mehr belastet das auch die Solidargemeinschaft durch höhere Gebühren.

Die Nutzer solcher Anlagen müssen jedoch ihr Abwasser einer Kläranlage oder Kleinkläranlage zuführen. Hierauf sind jedoch in der Regel Abwassergebühren zu bezahlen.

Aufgrund Satzungsvorgaben muss auch jeder, der eine Regenwassernutzung für solche Zwecke möchte, einen Antrag bei seinem Wasserversorger stellen. Es muss eine Befreiung von Benutzungszwang erteilt werden.

Bei dem Gesichtspunkt der Wasserressourcenschonung ist jedoch auch der Grundwasserleiter von Bedeutung, aus dem der Wasserversorger sein Wasser bezieht. Die Juragruppe bezieht ihr Trinkwasser aus den größten Trinkwasservorkommen Nordbayerns, der Veldensteiner Mulde und der Hollfelder Mulde. Hier handelt es sich um einen Karstgrundwasserleiter, der sehr schutzbedürftig und schutzwürdig ist. Hier versickert der Regen über sogenannte Dolinen und Ponore, also über den zerklüfteten Untergrund des Karstbodens, unverzüglich nach unten ab.

In diesem Fall ist der Effekt des Wassersparens oder der Ressourcenschonung etwas anders zu beurteilen. Denn man entnimmt hier durch die Regenwassernutzung die gleiche Menge aus den Wasserkreislauf. Diese wird dann dem Grundwasser nicht mehr zugeführt.

In anderen bayerischen Landesteilen mit Bodenmächtigkeiten von mehreren Metern, wie im Gäu oder niederbayerischen Regionen ist die Grundwasserneubildung problematischer. Durch die prognostizierten klimatischen Veränderungen, mit langanhaltenden Trockenperioden und immer wieder einsetzenden stärkeren Starkniederschlagsereignissen fließt bei diesen Niederschlagsszenarien das Wasser oberirdisch in die Flüsse und führt zu Rückgängen in der Grundwasserneubildung. Hier wäre es wesentlich sinnvoller einen zweiten Wasserkreislauf zu bauen.

Die Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringen wird, bereiten auch der Juragruppe und seinem Werkleiter Sorgen. Jedoch durch diesen Karstuntergrund sieht er die Wasserversorgung in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Ob die Regenmengen über vier Wochen herunterkommen oder in fünf Stunden herunterprasseln – ist eben beim Karstgrundwasserleiter für die Grundwasserneubildung nicht von dieser Bedeutung wie anderswo.

Wegen einer deutlich höheren Schutzbedürftigkeit sind deshalb Wasserschutzgebiete im Karst wesentlich umfänglicher. Dies unterstreicht die geplante Schutzgebietsanpassung in der Hollfelder Mulde mit einem Schutzgebiet in einer Größe von 2200 Hektar, Dies ist nach wie vor und das seit bereits 2006 einer der größten wasserwirtschaftlichen Schutzgebietsmaßnahme in Bayern.

Diese Sachverhalte die in Bayern unterschiedlich sind, sollte bei der Überlegung für Benutzungspflichtbefreiungen, wie z. B. Zisternennutzung über teurere zweite Netze im Haus mit bedacht werden. So stellt sich hier die Frage: „Lohnt es sich bei unseren Wasserpreisen und unseren Gegebenheiten, Investitionen in solche Anlagen für 10.000 € – 20.000 € oder gar mehr zu tätigen?“


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